PRAXIS     zur Lösung von Hemmungen

—— einige Bilder in den Räumen der Ausstellungkönnen angeklickt und genauer betrachtet werden.

Viel Vergnügen in der Ausstellung! ——-

 

Robert Sorg – In der Praxis der Pia von Reis

Im Raum steht ein Arzttisch, eine Behandlungsliege, an der Wand hängen Darstellungen des menschlichen Körpers, ein Medizinball liegt auf einem Beistelltisch. Hinter dem Arzttisch sitzt die Behandelnde, vor ihr der Patient. Er wird nach seinen Problemen befragt, psychisch, als auch physisch. Nach der Diagnose erfolgt die Therapie, orientiert an den Lehren von Feldenkrais, Shiatsu und der Akupressur. An diesem Ort herrscht die seriöse Atmosphäre und intime Anonymität einer medizinischen Praxis – würde das Personal samt Inneneinrichtung nicht im Kontext eines Ausstellungsraums zu finden sein. 

Die Irritation wird innerhalb des Environments im bildlichen Interieur fortgesetzt. Ein umrahmtes, handgeschriebenes Organigramm zeigt Verbindungen zwischen Wort- und Bedeutungsfeldern auf, die der Psychologie entnommen sind (Hemmung, Angst, Vermeiden, Erfahrung, Erinnerung, Kontrolle, Unsicherheit, …). Auf der Schautafel wird die Kontur des menschlichen Körpers mit zarter, farbiger Linie wiedergegeben, die teilweise aufgelöst wird, um die skeletöse Struktur des Menschen offenzulegen. Die Zeichnungen als Vertreter einer klassischen Bildgattung erscheinen gleichsam als Überbleibsel eines klassischen Kunstverständnisses, das durch die Gesamtinszenierung des Raumes hinterfragt wird. 

Die Praxis der Pia von Reis stellt sich als Environment in die Tradition des erweiterten Kunstbegriffs. Sie führt den Besucher der Inszenierung Kunst nicht vor Augen, sondern lässt ihn, durch die auf die Diagnose sogleich folgende Therapie, körperlich spüren, welche Funktion Kunst haben kann. Zeige deine Wunde – die Aufforderung von Beuys wird ergänzt durch das Brecht’sche Wunschdenken: „Er  hat Vorschläge gemacht. Wir / Haben sie angenommen.” mittels der Therapieangebote. Kunst als heilendes Medium, das gesellschaftliche oder individuelle Probleme nicht nur ansprechen, sondern auch heilen kann? Der Künstler als Heiler, Schamane, Medizinmann/-frau? [Gab es das nicht schon einmal?]

Die Praxis von Pia von Reis verortet sich im ironisch gebrochenen Raum zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Hybris und Schaffenswillen. Sie wirft die Frage auf: Was kann Kunst? Was will Kunst? Die Beantwortung der Frage überlässt Sie ganz der Offenheit ihrer Besucher und der ungeprüften Nachhaltigkeit ihrer therapeutischen Fähigkeiten

Behandlungsspektrum:

Materielle Therapie: direktes Einwirken auf die Form des Körpers durch Bewegen, Drücken, Streichen, Rütteln,…,

   um dem Betrachter den Raum aufzuzeigen, wo Verengungen den Körper einschränken und wohin er sich ausbreiten kann.

Paradoxe Therapie: hemmen spezieller Körperregionen,

   um einerseits deren Tragkraft und unbewusste Nutzung bewusst zu machen (z.B. Eingipsen des gesunden Knies)

   und andererseits durch somatische Aktionen den Geist zu beeinflussen (z.B. Anti-Grübel Tapping, siehe Bild)

Möglichkeiten der Eigenbehandlung: Mittestärker, Box-Sex-Puppe “BOB”, Streicheln, Kratzer, Klopfer,

   Finger-Akupressur-Ringe, Massagebälle, Gymnastikball, Massageroller